Sollen Punks wählen gehen?

Plastic Bomb, das Magazin für politische Kultur versucht anhand der bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin zu dieser Frage eine ausweichende Antwort zu geben. Bis 1992 wäre die einzig richtige Antwort ein definitives „ja`` gewesen. Aber wie das nun mal so ist im Atomzeitalter, hat jede Wahrheit nur noch eine geringe Halbwertszeit. Aber dazu später mehr. Zuerst machen wir uns jetzt ein paar Gedanken darüber, was Wahlen eigentlich sind, wozu sie erfunden wurden und was man dafür so alles braucht.

Beginnen wir mit Politikern. Politiker sind schleimige Wesen aus der Tiefe des Weltalls, die vor vielen tausend Jahren auf der Erde gelandet sind, in der Hoffnung, hier ein Paradies für sich einzurichten. Anfangs hatte diese Spezies echte Probleme damit, von der noch jungen Menschheit überhaupt ernst genommen zu werden. Die amorphen, etwa fußballgroßen, bräunlichen Dinger wurden sehr oft für Mammutkacke gehalten und deswegen entweder von Kindern zertreten oder zu Heizzwecken mißbraucht. Um einer Ausrottung zu entgehen, zogen sich diese hochintelligenten Mollusken in die Meere zurück und entwickelten im Laufe der Zeit ein Verfahren, dem menschlichen Erscheinungsbild nahe zu kommen. Mit Erfolg. Oder besser, mit relativem Erfolg. Zwar erhöhten die Politiker ihr Gewicht um ein Vielfaches und bildeten auch recht gut gelungene Extremitäten aus, die schleimige Oberfläche und der abstoßende Mundgeruch blieben jedoch. Bis heute. Jeder, der einem Politiker schon mal näher gekommen ist, kann das bestätigen. Wir machen jetzt einen Sprung über ein paar tausend Jahre und befinden uns ca. 1000 vor Ch. Die Politiker, mittlerweile wieder an Land, bildeten kleine Kolonien im nördlichen Skandinavien. Dem Ziel, sich ein Paradies zu errichten waren sie nicht wesentlich näher gekommen, allerdings wuchs der Bestand auf einige Tausend Exemplare. Merkmal von Politikern ist seit jeher die Abneigung, sich mit zu vielen anderen Politikern ein Revier teilen zu müssen. Infolgedessen lösten sich die Kolonien auf und kleine Politikergrüppchen suchten den Anschluß an die Stämme und Lebensgemeinschaften der Menschen. Sie fanden Aufnahme, blieben aber immer Außenseiter aufgrund Ihrer gewissen Andersartigkeit. Da sie handwerklich nicht sonderlich geschickt waren und auch sonst zu wenig nutze, übertrugen ihnen ihre menschlischen Wirte nutzlose Aufgaben, für die es eigentlich gar keinen echten Bedarf gab: Man mußte auch nichts können und so entstand die Klasse der Häuptlinge. Die barmherzigen Menschen gaben den Politikern Futter und die bemühten sich, den neuen Berufszweig mit Leben zu füllen. Gesegnet mit einer fast widerlichen Schlitzohrigkeit, gepaart mit dem immer noch starken inneren Wunsch nach dem persönlichen Paradies, stiegen die Politiker auf an die Spitze der Gesellschaft. Die mäßig intelligenten Menschen schauten tatenlos zu, wie die Politikerklasse ihren Einfluß vergrößerte und schleichend auf der ganzen Welt die Herrschaft übernahm. Das ging etwa 2000 Jahre lang gut. Die Politiker hatten ihre Ziele erreicht, sie lebten in Saus und Braus und die Menschen mußten für sie schuften. Aus dieser Phase sind auch noch sehr viele Politiker bekannt: Caligula, Caesar, Alexander d. G., Iwan d. S., Friedrich d. G. und viele andere mehr. Meistens errangen sie große Bekanntheit durch ihren exzessiven Lebensstil und maßlose Brutalitäten gegen Menschen und andere Politiker.

Aufgrund wachsenden Widerstandes der Menschheit gegen diese äusserst unangenehme Vorherrschaft der Politiker kamen selbige auf die pfiffige Idee, den Menschen mittels sogenannter „freier`` Wahlen sich die Politiker auszusuchen, von denen sie gegängelt werden wollten. Das ging dann so, daß verschiedene Politikergruppen sich wohlklingende Namen gaben, die einen dezenten Hinweis auf die angebotene Art der Unterdrückung darstellten (Sozialisten, Kommunisten, Ökofaschisten usw.). Die Menschen glaubten an Verbesserungen und machten munter mit. Es ging soweit, daß Menschen sich fast wie Politiker benahmen. Eigentlich kaum zu glauben. Diese Entwicklung wurde natürlich durch interstellare Einflußagenten an die Geheimdienste aller führenden Raumfahrtnationen in der Milchstrasse übermittelt. Und die reagierten prompt. Im Jahre 1967 landeten auf dem Territorium der heutigen U.S.A. 36 Transportraumschiffe und setzten Kommandoeinheiten der Krisenreaktionskräfte Wega - West ab: Die Hippies. Ihr Auftrag: Destabilisierung der Politikerregimes in aller Welt mit subversiven Mitteln. Diese hochmotivierte Eliteeinheit hat eine lange Tradition im Kampf gegen das Politikerunwesen im ganzen Universum. Allerdings wurde durch die Politiker auf der Erde eine Strategie angewendet, gegen die alle Mittel der Hippies versagten. Mit rücksichtslos angewandtem Konsumterror gelang es den Politikern, sich gegen die Ordnungsmaßnahmen aus dem All zur Wehr zu setzen. Die Hippies versagten! Doch der geheime, wenn auch letztlich gescheiterte Versuch, die Erde zu retten blieb bei Teilen der Menschheit nicht unbemerkt. Die Idee, völlig Politikerfrei zu leben und die Erde zurück in Menschenhand zu geben, führte Mitte der siebziger Jahre zur Gründung einer Geheimgesellschaft. Sie gab sich den Namen „Punkrocker``. Mit aller Härte führte diese neuartige Bewegung den Kampf gegen die Politiker. Beleidigungen, Hausbesetzungen, öffentliche Besäufnisse, Strassenschlachten und Chaostage sollten dem Politikerunwesen den Garaus machen. Doch die schleimigen, stinkenden Invasoren aus dem All konterten mit „Hardcore``, herrenlosen Hunden, vierrädrigen Skiern und Veganismus. „Techno``, ein milchstraßenweit geächtetes Kampfmittel zur Bekämpfung weicher Ziele, stampfte die Punkrocker gnadenlos in den Boden. Für viele gab es kein Entkommen. Einmal mit Techno infiziert, mutierte eine ganze Generation zu sabbernden Spinnern.

Doch es gibt Hoffnung. Zum Jahreswechsel 1988 / 89 durchbrach ein zartes Pflänzchen des Widerstands in Kreuzberg die Krume: Die KPD/RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten / Realistisches Zentrum)! In der Maske von Politikern und mit den fiesen Mitteln von Politikern marschieren diese Helden von Sieg zu Sieg voran im Kampf gegen die Politikerplage. 1992, unter dem Deckmäntelchen „politische Partei`` erzielt die KPD/RZ bei „Wahlen`` 2,1% der Wählerstimmen. 1995 sind es schon 4,7! Die Politiker riechen Lunte und versuchen mit einer studentisch orientierten „APPD`` die KPD/RZ zu stoppen. Doch die Menschheit widersteht der Versuchung und verweigert diesen Schrankwandpunkern ihre Zustimmung. Die APPD zerfällt, der ahnungslose Vorsitzende Karl Nagel fällt in schwere Depressionen, die Mitglieder gehen wieder arbeiten oder BWL studieren.

Die Frage, ob Punks wählen sollten, muß wie folgt beantwortet werden: Ja, aber nur in Berlin und nur die KPD/RZ.